Andreas Neeser schreibt neben seiner Prosa schon viele Jahre Lyrik, die auf Spurensuche im Alltag geht, Kleines neben Grossem stehen lässt, weder erhöht noch verklärt. In seinem neuen Projekt Zungen verfolgt er dieses Konzept in drei Strängen. Erstens sind es klassische Gedichte um Aufbruch und Steckenbleiben, Werden und Vergehen in Beziehungen, der Natur, der Welt überhaupt. Zweitens sind es Gedichte, die Hochdeutsch und Schweizerdeutsch als schillernde Zwiesprache erproben. Ein Ausdruck wie «gläufigi Schue» fasst mütterlichen Abschiedsschmerz und die etwas betretene Aufbruchstimmung des Sohnes. Nicht wirklich zu übersetzen, schwingt er in die Hochsprache, so, wie diese auf ihn einwirkt. Drittens sind es Langgedichte mit jeweils zwei parallelen Texten, die sich gegenseitig befruchten und reiben. Es geht um Körper- und Gefühlszustände, die Metamorphosen durchlaufen — vom Glückszustand in den Mückentanz, von der Depression ins Verholzen. Alles leicht hingetupft, aber herausfordernd und beflügelnd in der Wirkung. Franziska Hirsbrunner

 

ANDREAS NEESER, *1964, Suhr, Literatur, Werkbeitrag, CHF 20’000. andreasneeser.ch

Visuals: Porträtbild © Ayse Yavas; Buchcover und Textauszug Alpefisch (Verlag Zytglogge, 2021)