Barbara Schibli taucht in ihrem neuen Romanprojekt Hinein in die Zustandslosigkeit in die Welt einer Frau ein, die nach einer Cochlea-Implantation eine langwierige Rehabilitation durchläuft. Sie muss wieder hören lernen und tut es mit Platten aus ihrer Jugend, dem wilden Punk der späten 1970er-Jahre. Dies nicht ohne Grund. Ihr Gehör verlor sie während der Zürcher Opernhauskrawalle, als unmittelbar neben ihr eine Knallpetarde explodierte. Viele Jahre später bringt die Musik eine Zeit zurück, in der so vieles möglich schien, bis es in repressiver Staatsgewalt erstickte. In einem sorgfältig austarierten Pendeln zwischen der Vergangenheit um 1980 und der Gegenwart von 2010 zeigt Barbara Schibli, dass die Revolution ihre Kinder auch im Fall der «Bewegig» frass. Ein bedrückender Umstand, der sich ausweitet ins anrührende Gefühl, nicht radikal genug gewesen zu sein und vor den Unwägbarkeiten des Lebens zu schnell kapituliert zu haben. Franziska Hirsbrunner
BARBARA SCHIBLI, *1975, Untersiggenthal, Literatur, Werkbeitrag CHF 20’000. barbaraschibli.ch
Visuals: Porträtbild © Johanna Bossart; Buchcover Flechten mit Gemälde von Esther Schena (Doerlemann Verlag, 2017)